Viele Menschen genießen gerne zur späteren Abendstunde noch ein reichhaltiges Essen, obwohl es bekanntermaßen aus gesundheitlicher Sicht nicht zu empfehlen ist. Doch was passiert da eigentlich genau in unserem Stoffwechsel, dass der Blutzuckerspiegel in einem solchen Fall gerne seine Kontrolle verliert? Im Rahmen einer Studie mit 845 Teilnehmern gingen US-Wissenschaftler dieser Frage nach. Insbesondere interessierte sie dabei, welche Bedeutung das Schlafhormon Melatonin dabei hat.
Nachdem die Männer und Frauen eine achtstündige Fastenzeit eingelegt hatten, sollten sie eine Zuckerlösung kurz vor dem Zubettgehen zu sich nehmen. An einem anderen Tag wiederholten sie diese Maßnahme, wobei sie die Zuckerlösung sehr viel früher am Abend und somit einige Stunden vor der Nachtruhe tranken.
Bei einer jeweils anschließenden zweistündigen Kontrolle der Blutzuckerwerte beobachteten die Wissenschaftler, welche Auswirkungen die jeweiligen Abendmahlzeiten auf den Stoffwechsel hatten. Sie stellten fest, dass der Blutzuckerwert durch die spätere Mahlzeit bei nahezu allen Studienteilnehmern aus der Norm geraten ist. Ein entsprechend starker Anstieg des Blutzuckerspiegels war bei einer Mahlzeit zur früheren Abendstunde nicht zu beobachten.
Zurückzuführen ist die ungünstige Auswirkung der späteren Abendmahlzeit wohl auf eine vermehrte Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin pünktlich zur Schlafenszeit. Seine Konzentration ist zur späten Abendstunde mindestens dreimal so hoch, wie wenige Stunden zuvor. Da dieser Botenstoff offensichtlich die Bildung und Ausschüttung des Hormons Insulin – der wichtigste Botenstoff für einen gut funktionierenden Zuckerstoffwechsel – ausbremst, lässt sich seine ungünstige Wirkung auf den Blutzuckerspiegel auch entsprechend begründen.
Interessanterweise scheint es laut Studienergebnis eine bestimmte genetisch definierbare Personengruppe zu geben, bei der dieser ungünstige Effekt des Melatonins besonders groß ist. Bei diesen Menschen lassen sich an den Zellen bestimmte Rezeptoren für das Melatonin nachweisen, welche diesem Hormon somit eine noch größere Fläche zum Andocken bieten. Das Risiko für einen gestörten Zuckerstoffwechsel durch späte Abendmahlzeiten ist bei ihnen besonders hoch.
Ein häufig gestörter Blutzuckerspiegel, so also auch durch zu spätes Abendessen, kann auf Dauer zum Typ-2-Diabetes und zu Übergewicht führen. Daher ist es ratsam, einige Stunden vor dem Zubettgehen möglichst nichts mehr zu essen.
Garaulet, M. et al.
Interplay of Dinner Timing and MTNR1B Type 2 Diabetes Risk Variant on Glucose Tolerance and Insulin Secretion: A Randomized Crossover Trial.
Diabetes Care
1/2022